Biodiversität im Fokus: ein kritischer Blick auf die Lieferkette von Hidden Champion Lenzing
Special Edition: Unternehmensbesuch beim Joint Venture LD Celulose unseres Sustainable Hidden Champions Lenzing. Tauchen Sie ein mit uns in dessen ökologische wie soziale Nachhaltigkeit! In unserer 3-teiligen Artikelserie nimmt Sie unsere Nachhaltigkeitsanalystin Levke Seefeld mit an den Ort des Geschehens. Im dritten Teil unserer Reihe erfahren Sie, wie Lenzing das Thema Biodiversität in die eigene Lieferkette integriert. Monokulturen und biologische Vielfalt – lesen Sie Levkes kritische Auseinandersetzung.
Ein Bericht von Levke Seefeld, Werkstudentin Nachhaltigkeitsanalyse
Brasilien ist mit sechs terrestrischen Biomen und einer enormen Küstenlinie eines der Länder mit der größten biologischen Vielfalt der Welt (Ellwanger et al., 2023). Die Expansion der Landwirtschaft führt jedoch zu großen Veränderungen des Landsystems, die einerseits verantwortlich sind für die Hälfte der jährlichen CO2-Emissionen Brasiliens und andererseits für einen Verlust der Biodiversität (SEEG, 2024).
Genau hier setzt der dritte Teil unserer Artikelreihe über die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Lieferkette des Hidden Champions Lenzings an: bei der Biodiversität. Ich nehme Sie ein weiteres Mal mit nach Brasilien zum Joint Venture von Lenzing – LD Celulose – und freue mich, wenn Sie mir folgen!
LD Celulose im Spannungsfeld von Biodiversität, Monokulturen und Naturschutz
Wie bereits in den vorherigen Artikeln der Serie erwähnt, arbeitet LD Celulose mit etwa 90.000 Hektar Forstplantagen, auf Flächen, welche für lange Zeit gepachtet werden. Nach dem Pachten müssen die Flächen vorerst für die Forstwirtschaft zugelassen und vorbereitet werden. Auch hier spielen ökologische Aspekte wieder eine große Rolle. Die Plantagen werden nach Angaben von LD Celulose sowohl aus ökologischer als auch aus sozialer Sicht nachhaltig bewirtschaftet und sollen den Holzbedarf für die Fabrik decken. Dafür sind pro Jahr etwa 10.000 Hektar an Plantagen nötig. Aus ökonomischer Sicht eignet sich Eukalyptus als schnellwachsende Art besonders gut, bei einem Ernterhythmus von etwa sechs bis sieben Jahren.
Monokulturen: ein kritischer Blick auf Eukalyptus
Aus ökologischer Perspektive ist Eukalyptus jedoch nicht unumstritten, sodass die Entscheidung über die Anpflanzung und das Forstmanagement kritisch gegen ökologische und soziale Aspekte abgewogen werden muss (Bayle, 2019). So handelt es sich bei dieser Baumart um keine native Art, denn Eukalyptus stammt ursprünglich aus Australien. Eine Monokultur stellt außerdem an sich eine Bedrohung für native Arten und die Biodiversität dar. Zudem weist Eukalyptus einen hohen Wasserverbrauch auf und verändert die Wasserkreisläufe.
In Agroforstsystemen wird Eukalyptus aufgrund seiner Eigenschaften hinsichtlich der Wurzelstruktur und Auswirkungen auf den Wasserkreislauf teils gerne eingesetzt, aber in Monokulturen ist dies mit Risiken verbunden. Eukalyptusbäume haben eine tiefe Durchwurzelung und hohe Transpirationsrate und entziehen damit dem Boden große Mengen an Wasser, welches durch die Blätter verdunstet. Dadurch kann es zu Wasserknappheit kommen, die Bodenfeuchtigkeit wird reduziert und durch die erhöhte Luftfeuchtigkeit kann sich selbst das lokale Mikroklima ändern, was sich auf die umgebende Flora und Fauna auswirkt. Zudem wirken die Eukalyptusblätter durch ihre ätherischen Öle auf manche Pflanzenarten wachstumshemmend (Allelopath) und es kommt häufig zum Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zur Aufrechterhaltung der Bodenqualität und Schädlingskontrolle.
Naturschutz auf dem Prüfstand
Die Plantagen von LD Celulose befinden sich im Cerrado, der brasilianischen Savanne. Das Biom ist insgesamt eines der artenreichsten weltweit und sogar die artenreichste Savanne weltweit und damit von großer Bedeutung. In der europäischen Debatte liegt der Fokus bis heute noch stark auf dem Amazonasgebiet. So wird auch in Lenzings Fokuspapier zu Biodiversität die Distanz der Plantagen zum Amazonas unterstrichen. Das Cerrado ist jedoch in großer Gefahr, da bisher wenig Schutzmechanismen geschaffen wurden (Fischer, 2023; WWF, 2022). Bereits etwa 60 % des Cerrados wurden in landwirtschaftliche Fläche umgewandelt (Fischer, 2023). Während für das Amazonasgebiet mit dem sogenannten Novo Código Florestal (Gesetz 12.651/2012, Waldkodex) gesetzlich beispielsweise vorgeschrieben ist, 80 % der für Land- und Forstwirtschaft genutzten Flächen als Naturschutzgebiet zu erhalten, so sind es in den anderen Regionen Brasiliens, inklusive des Cerrados, nur 20 % der Fläche.
LD Celulose hält sich an die gesetzlichen Vorgaben und so waren im Jahr 2023 22 % der Gesamtfläche geschützt. Zudem gibt es ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene sogenannte dauerhafte Schutzgebiete (Portugiesisch: Áreas de Preservação Permanente (APP)) unter anderem in der Nähe von Wasserressourcen, Hängen und Urwäldern. Die brasilianische Umweltbehörde schreibt zudem Forschungsprojekte zur Biodiversität vor, welche die lokale Flora und Fauna im Wald und den umliegenden Gebieten sowohl in der Trocken- als auch Regenzeit untersuchen. LD Celulose berichtet von etwa 450 Tierarten und 204 Pflanzenarten. Als einer der Hauptschutzmechanismen wird das Pflanzen im Mosaikmuster und das Anlegen von ökologischen Korridoren genannt, wodurch die Schutzgebiete miteinander verbunden werden. In der öffentlichen Zusammenfassung des Forstmanagementplans von LD Celulose (Stand Oktober 2023) wird jedoch angegeben, dass bisher nur 50 % der ökologischen Korridore erfasst sind (Ziel: 100 % innerhalb von 10 Jahren). Das Ziel zur Kontrolle invasiver Arten in den Schutzgebieten wurde mit 43 % nicht erreicht (formulierter Mindestwert: 75 %). Das Ziel zur Festlegung von mindestens einer Referenzart als Bioindikator für die Erhaltung des Cerrado-Bioms innerhalb von zwei Jahren wurde bisher ebenfalls nicht erreicht. Auch das Ziel von 100 Tierbeobachtungen im Rahmen des Sichtungsprogramms innerhalb eines Jahres wurde nicht erreicht (erreichter Wert: 57). Die Ziele zur Aufwertung der degradierten Flächen und Wasserqualität sowie Waldbrandkontrolle wurden erreicht.
Bei meiner Besichtigung sah ich zwar die besagten Schutzgebiete und Korridore mit dem typischen Cerradobewuchs, jedoch wirken diese sehr überschaubar im Vergleich zu den gigantischen Eukalyptusplantagen. Biodiversität in Monokulturen bleibt meines Erachtens ein Widerspruch in sich. Die Wasserproblematik werde laut LD Celulose mit einem entsprechenden Mindestabstand zu bedeutenden Wasserquellen umgangen und es handele sich um eine Gegend, welche ausreichend Wasserressourcen zur Verfügung habe. Der Nährstoffgehalt der Böden wird mithilfe von Bodenanalysen überprüft und mit vor Ort anfallender Biomasse aus Laub und kleinen Ästen sowie komplementärer Nährstoffdüngung aufrechterhalten. Zudem wird versucht, wenig in die Bodenstruktur einzugreifen. So wird teils eine sogenannte zweite Rotation, also das erneute Austreiben aus den Baumstümpfen, genutzt, anstatt neue Setzlinge zu pflanzen. Anderenfalls wird abwechselnd in den Zwischenlinien gepflanzt, sodass nach weiteren sieben Jahren die alten Baumstümpfe zersetzt sind und erneut dort gepflanzt werden kann. Eine der größten Plagen in den Plantagen sind Ameisen, welche vor allem die Blätter abfressen. Aus diesem Grund setzt LD Celulose schematisch Pestizide ein.
Vom Setzling zur Plantage
LD Celulose hat zurzeit keine eigene Anzuchtstation, sondern kauft die Setzlinge ein. Hierbei handelt es sich um verschiedene Typen von Klonen (veredelte Sorten), welche jedoch gentechnikfrei sind. Die Setzlinge müssen für das Pflanzen bestimmte Qualitäts- und Wuchskriterien aufweisen und werden entsprechend überprüft. Zudem erfahren sie zwei chemische Bäder. Eines dient mit Düngemittel als Energydrink für die erste Wachstumsphase und das andere soll mit Pestiziden den Termitenbefall in den Wurzeln verhindern. Die Flächen werden zur Ameisenkontrolle bereits vor dem Pflanzen sowie drei Monate nach dem Pflanzen mit Pestiziden behandelt. Zudem wird Beikrautkontrolle vorgenommen. Vor dem Pflanzen erfolgt auch noch die Kalkdüngung (liming), die Bodenlockerung (subsoiling) und Bodendüngung (base fertilization). Nach dem Pflanzen, welches die einzige Tätigkeit im Bereich der Plantagen ist, welche noch vollständig manuell ausgeführt wird, folgt noch eine weitere Düngung (cover fertilization). Im Anschluss geht es um den Schutz der Plantage bis zur nächsten Ernte- und Pflanzperiode.
LD Celulose bezieht das Holz ausschließlich aus den eigenen Plantagen, welche vollständig nach FSC-Kriterien bewirtschaftet werden. Derzeit sind 60 % der Flächen offiziell zertifiziert, da nur dieser Anteil bepflanzt ist. Mit zunehmender Bepflanzung der neuen Flächen wird der Anteil der Zertifizierung somit steigen, da ein bis zwei Jahre vor der Bepflanzung auch die neuen Flächen zertifiziert werden. Der FSC-Standard beinhaltet auch Vorgaben zu den Düngemitteln und Pestiziden, welche Anwendung finden dürfen. Das Ziel der Einhaltung der technischen Empfehlungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurde Stand 2023 jedoch nicht erreicht. Die technischen Empfehlungen zum Einsatz von Düngemitteln wurden aber eingehalten.
Waldbrände und Sicherheit im Forst – welche Schutzmaßnahmen unternimmt LD Celulose?
In der Region besteht eine hohe Waldbrandgefahr, insbesondere in der Trockenzeit, in der teils sechs Monate lang kein Regen fällt. Seit 2019 wird in den Plantagen das System Fire Hawk aus Afrika genutzt, welches bei Anzeichen von Rauch Warnmeldungen gibt. Diese Warnungen können dann mithilfe enormer Zoommöglichkeiten per Kameras, welche in sich strategisch überschneidenden Zirkeln im Gebiet installiert sind, überprüft werden. Die Monitoring-Zentrale, in der die Systeme ausgelesen werden und Wetterveränderungen überwacht werden, ist daher von großer Bedeutung für LD Celulose. In 2023 gab es 103 Vorfälle, von denen 75 aktiv bekämpft wurden. Andere Fälle sind beispielsweise bei Anrainer:innen bewusst entzündete Feuer. Die durchschnittliche Zeit zum Eintreffen der Einsatzkräfte lag bei 23 Minuten. Normalerweise sollte die Zeit unter 20 Minuten betragen. Seit Beginn 2024 gab es bereits 16 Waldbrände im Gebiet, die durchschnittliche Zeit zum Eintreffen der Feuerwehr betrifft derzeit 14 Minuten. An strategischen Punkten sind bereits Einsatzkräfte positioniert, um schnell reagieren zu können.
LD Celulose unternimmt auch Aufklärungskampagnen bei Anrainer:innen über die Waldbrandgefahr. Das Ziel zur Durchführung der Aufklärungsbesuche bei der umliegenden Bevölkerung wurde im letzten Berichtszeitraum erreicht.
Darüber hinaus ist die Monitoring-Zentrale für die Sicherheit der im Forst arbeitenden Mitarbeitenden zuständig. Arbeitet eine Fachkraft allein an einem Ort, so wird in regelmäßigen Abständen über Funk Kontakt hergestellt, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist. Für Notfälle und Unfälle gibt es ein klares Schema, nach welchem Rettungsdienste eingeschaltet werden.
Das Big Picture und Dilemma der Nachhaltigkeitstransformation – Levkes Fazit
Es ist interessant, die verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In Europa werden die nachhaltigen Fasern als Alternative zu den herkömmlichen Fasern aus Erdöl hochgelobt. In Brasilien werden die Monokulturen mit Eukalyptus von der Bevölkerung jedoch oft kritisch beäugt. Und wie soll man es ihnen verübeln, es ist schließlich ein enormer Eingriff in die Landschaft sowie Biodiversität – und eine Monokultur ist und bleibt eine Monokultur.
Auf meinen Reisen durch Brasilien habe ich mit verschiedensten Menschen darüber gesprochen und mir in mehreren Regionen selbst ein Bild von der Lage gemacht. Ein brasilianischer Freund von mir stellte einen interessanten Vergleich auf: Monokulturen sind auf ihre Art und Weise häufig belastend, wenn sie einen umgeben, aber in Monokulturen von Soja, kann man immerhin den Horizont sehen, bei Eukalyptus sieht man hingegen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Nun kann man sagen, dass Eukalyptusplantagen zumindest vorübergehend mehr CO2 im Boden speichern als intensiv bewirtschaftete Flächen mit anderen Feldfrüchten. Man könnte die Flächen alternativ aber auch für das schützenswerte Cerrado renaturieren.
Die Arbeit von Lenzing und LD Celulose wirkt wirklich fortschrittlich und immerhin besser als andere Player der Industrie. Mit dem enormen Wachstumstrend auf der Suche nach nachwachsenden Rohstoffen wird der Flächenbedarf für die Holzplantagen in Zukunft aber noch steigen. Eine Wahl hat die lokale Bevölkerung jedoch selten, insbesondere in sozioökonomisch schwächeren Gebieten. Andererseits werden auch viele Arbeitsplätze geschaffen. Es sollte daher nie vergessen werden, dass auch jede Nachhaltigkeitstransformation ihren Preis hat und dieser häufig an anderem Ort auf dieser Welt bezahlt wird – ökologisch und sozial. In diesem Sinne würde ich gerne für Bedacht appellieren. Die nachhaltigste Alternative ist immer noch die Suffizienz – weniger ist mehr – und jede nicht produzierte Faser ist die beste!
Sie möchten mehr lesen über Lenzings Lieferkette? Dann legen wir Ihnen Teil 1 und Teil 2 unserer Artikelreihe ans Herz: Wie der Hidden Champion Lenzing Circular Economy in die Lieferkette integriert und Soziales Engagement auf dem Prüfstand – bei Hidden Champion Lenzing.
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