Eine Frau steht in Sportkleidung am Anfang einer langen Straße. Sie macht sich bereit für den Start in das Jahr 2023 (Aufschrift auf der Straße mit Startlinie).

Nachhaltigkeit in 2023: Was kommt auf Gesellschaft und Finanzdienstleistende zu?

Über einen Monat ist das neue Jahr schon alt – Zeit, einen Blick auf alle relevanten Änderungen zu werfen, die uns in der Finanzbranche und auch außerhalb dieser bevorstehen. Was gibt es Neues aus der Regulatorik? Wird es noch mehr Gesetze rund um den Konsum von Dienstleistungen und Gütern geben? Wir haben Antworten auf die Frage, was sich im Bereich Nachhaltigkeit in 2023 alles ändern wird.

Marktprognosen für 2023

Die Glaskugel besitzt niemand von uns und darum wird es wie jedes Jahr auch in 2023 spannend bleiben, was die Märkte bringen werden. Unterschiedliche Meinungen gibt es wie immer zuhauf. Allein was „die Bandbreite der Konjunktureinschätzungen [angeht], [reichen die Meinungen] von einer ‚ausfallenden Rezession‘, über ein ‚Rezessiönchen‘ bis hin zu einem ‚Abschwung, der es in sich hat‘“, schreibt Björn Drescher im Januar.

Möchte man auf ein Urgestein der Branche hören, so bieten sich die jährlich erscheinenden „10 Überraschungen“ des Byron Wien an, welche Mitte Januar auf CapInside veröffentlicht wurden. Der inzwischen 90-jährige Vice Chairman beim US-Hedgefondsanbieter Blackstone gibt diese seit 1986 pünktlich zum Jahresbeginn heraus. Ein paar Wahrheiten des letzten Jahres: „Value-Aktien schlagen Growth“, „Korrektur der Aktienmärkte von bis zu 20 Prozent“, „Inflation wird zum beherrschenden Thema“ sowie „Ölpreis über 100 Dollar je Barell“.
Für 2023 geht Wien von u.a. folgenden Ereignissen aus:

  • Zwar gelingt es der Fed letztlich, die Inflation zu dämpfen, aber sie bleibt dabei mit ihrer Geldpolitik zu lange im restriktiven Bereich. Die folgende milde Rezession lässt die Gewinnmargen schrumpfen.
  • Trotz der geldpolitischen Straffung durch die Fed verzeichnet der Markt Mitte des Jahres eine Bodenbildung und beginnt dann eine Erholung, vergleichbar mit der des Jahres 2009 nach der globalen Finanzkrise.
  • Die Fed ist nach wie vor restriktiver als andere Zentralbanken, und der US-Dollar bleibt gegenüber den wichtigsten Währungspaaren, einschließlich Yen und Euro, stark. Dies bietet AnlegerInnen aus dem Dollarraum eine historische Chance, günstig in japanische und europäische Vermögenswerte zu investieren.

Björn Drescher bringt es, um abzuschließen, gut auf den Punkt, wenn er schreibt: „Wer sich keinem der Lager gedanklich anschließen will, schützt sich und sein Portfolio vermutlich am besten mit breiter Diversifikation und erinnert sich dabei der Tatsache, dass frühere Konsensmeinungen auch oft genug am Ziel vorbeiführten“.

Nachhaltigkeit in 2023: Regulatorik

Fragt man Dr. Sandra Derissen, Head of Sustainability Analysis SHC bei avesco, nach ihrer Meinung zu den regulatorischen Wendungen des neuen Jahres und Nachhaltigkeit in 2023 im Allgemeinen, so meint sie: „2023 wird so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Die wichtigsten Gesetze sind nun verabschiedet (CSRD, SFDR, MIFID II, EU-Taxonomie); Fragen gibt es noch bei den Kriterien für die tatsächliche Umsetzung und bis dahin gibt es noch längere Transition Periods“.

Wir gehen kurz auf die wichtigsten Punkte ein:

1. CSRD

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist am 05. Januar in Kraft getreten. Das bedeutet, dass berichtspflichtige Unternehmen sich in 2023 vorbereiten und versuchen sollten, die Anforderungen der CSRD zu verstehen und entsprechende Daten zu erheben. Und was müssen die Unternehmen alles umsetzen? Ein paar Eckpunkte:

  • Eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse anfertigen (Hilfestellung dbzgl. findet sich hier).
  • Die EU-Taxonomie implementieren, d. h. ihre Wirtschaftsaktivitäten auf Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität überprüfen.
  • Ihre Nachhaltigkeitsrisiken und PRIs im Lagebericht offenlegen, denn diese Daten unterliegen dann auch der Prüfpflicht durch die Wirtschaftsprüfung.

Einen guten Überblick hierzu gibt auch unser Artikel über die CSRD.

2. CSDDD

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist das europäische Pendant zum (gerade erst neu in Kraft getretenen) deutschen Lieferkettengesetzes – nur noch strenger. Derzeit befindet sich die Richtlinie allerdings noch in der Konsultation, die Umsetzungsphase soll nicht vor 2026 starten. Die Rolle des Finanzsektors dabei ist umstritten und es wird darüber diskutiert, diesen eventuell sogar bei der Berichtspflicht auszuschließen, wie das FNG schreibt (Seite 6 im Dokument).

3. MIFID II / Anpassung der FinVermV

Kurz Aufatmen konnten 34f-VermittlerInnen zum Jahresbeginn, als verkündet wurde, dass die überarbeitete Finanzvermittlungsverordnung erst später in Kraft treten wird, nämlich Ende März. Die Intermediäre bekommen somit mehr Zeit, ihre Beratungsprozesse umzustellen und in puncto nachhaltiger Geldanlagen auskunftsfähig zu sein. Hilfestellung bietet der Fragebogen zur Feststellung von Nachhaltigkeitspräferenzen nach DIN 77230 für Beratungsgespräche. Mehr Informationen zum DIN 77230-Fragebogen lesen Sie in unserem Blog-Artikel dazu.

4. Neue ESMA-Leitlinien gegen Greenwashing

Nicht verschweigen wollen wir einen interessanten Vorschlag der ESMA (European Securities and Markets Authority), um die Kriterien für Art. 8 Fonds wie etwa avescos Sustainable Hidden Champions Equity Fonds zu schärfen. Zur Vermeidung von Greenwashing und zur Schaffung größtmöglicher Transparenz sollen ESG- oder nachhaltigkeitsbezogene Fondsnamen mit den spezifischen Investmentcharakteristika des Fonds verknüpft sein, schreibt fgs. ESG- und nachhaltigkeitsspezifische Schlüsselwörter dürfen in Fondsnamen demnach nur dann auftauchen, sofern sich bestimmte Nachhaltigkeitsziele aus der Fondsdokumentation, unter anderem den entsprechenden Investitionszielen und der Anlagepolitik des Fonds erkennen lassen.

Im Zentrum stehen folgende zwei Formulierungen:

  • Sofern der Fondsname ESG-bezogene Schlüsselwörter beinhaltet, muss der Fonds einen Anteil von mindestens 80 % seiner Anlagen dazu verwenden, um ökologische oder soziale Merkmale oder nachhaltige Anlageziele gemäß seiner Investmentstrategie zu erfüllen.
  • Sollte der Name des Fonds das Wort „nachhaltig“ (sustainable) oder ein anderes von diesem Begriff abgeleitetes Wort beinhalten, so sollen die vorgenannten Investitionen in Höhe von 80 %, gleichzeitig zu mindestens 50 % aus nachhaltigen Investitionen im Sinne von Artikel 2 Absatz 17 der Offenlegungsverordnung bestehen.

Das Interessante hieran ist die schlussendliche Konsequenz, nämlich: Viele Fonds werden sich umbenennen müssen oder werden runtergestuft. Ob und wie der Vorschlag jedoch umgesetzt werden wird, ist derzeit noch unklar.

Porträt von Dr. Sandra Derissen. Sie hat lange dunkle Haare, trägt einen gelben Pullover und einen dunkelblauen Blazer. Sie lacht in die Kamera. Recht daneben steht ein Zitat von ihr und Name, Titel und Firma.

Parallel dazu wird auf der Ebene der ESA versucht, den Begriff „Greenwashing“ einheitlich zu definieren.

Weitere nachhaltige Entwicklungen des Jahres

Nicht nur in der Finanzbranche schlägt das Thema Nachhaltigkeit immer höhere Wellen – vielleicht haben auch Sie die jüngsten Entwicklungen rund um das Thema verfolgt? Hier unsere 4 wichtigsten Neuerungen unter dem Schlagwort Nachhaltigkeit in 2023:

  1. Ab dem 01. Januar müssen gastronomische Betriebe Mehrweg-ToGo-Behälter für Getränke und Gerichte bereitstellen – ohne Aufpreis. Ziel ist die Verringerung der Müllmenge durch Einweggeschirr aus Plastik. Halten sich die Betriebe daran? Das lesen Sie in der Greenpeace -Recherche: Deutschland macht den Mehrweg-Test.
  2. Oben wurde es bereits erwähnt: Das Lieferkettengesetz (LkSG) gilt ab 2023 und soll für den Schutz von Menschenrechten in internationalen Lieferketten und die Wahrung ökologischer Standards sorgen. Welche Unternehmen jetzt und welche erst später betroffen sind und was das LkSG sonst noch ausmacht lesen Sie im ausführlichen Artikel von EQS.
  3. Lange diskutiert, nun bald Wirklichkeit: Der Atomausstieg rückt näher, Mitte April gehen die letzten deutschen Atommeiler vom Netz.

Fans des 9-Euro-Tickets dürfen sich freuen: Als dauerhaftes Angebot soll im ersten Halbjahr in 2023 das 49-Euro-Ticket auf den Markt kommen. Auch mit diesem sollen bundesweit der öffentliche Nah- und Regionalverkehr bedient werden.

Call-to-Action zum Download des avesco Nachhaltigkeitsberichts 2020 / 2021

Nachhaltigkeit in 2023 – Fazit

Lange hat das Thema Nachhaltigkeit eine Art Dornröschenschlaf vollzogen – in der Regulatorik und in den Köpfen. Spätestens nach den vorgestellten Neuerungen für 2023 und die nächsten Jahre sollte allerdings auch den letzten ZweiflerInnen klar sein: Das Thema ist gekommen um zu bleiben und wird – ob mit oder ohne uns – immer mehr Durchschlagskraft entwickeln.