Im Hintergrund ist die Flagge der Europäischen Union zu sehen, im Vordergrund ein hölzerner Hammer, der für die Rechts- und Justizsysteme steht, die die EU-Vorschriften aufrechterhalten.

Die EU Omnibus Verordnung: Wirft die EU die Nachhaltigkeitsziele über Bord?

Die EU Omnibus Verordnung soll ein wichtiger Schritt sein zur Vereinfachung der komplexen ESG-Regulierungen in der EU. Sie soll Unternehmen entlasten, ohne die Nachhaltigkeitsziele zu gefährden. Ob die vorgeschlagenen Änderungen aus unserer Sicht halten, was sie versprechen, lesen Sie in diesem Artikel.

Was ist die EU Omnibus Verordnung?

Die EU Omnibus Verordnung stellt den Versuch der Europäischen Union dar, die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu vereinheitlichen. Ihre Hauptziele sind die Vereinfachung bestehender und zukünftiger Regelungen im Bereich von Umwelt, Sozialem und Governance (ESG). Die bereits am 8. November 2024 von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Initiative zielt darauf ab, den administrativen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren, indem doppelte und sich überschneidende Berichtspflichten verschlankt werden. Als weiteres Ziel ergibt sich daraus die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken.

Am 26. Februar 2025 hat die EU-Kommission einen ersten Entwurf veröffentlicht, der nun das reguläre Gesetzgebungsverfahren durchläuft. Es handelt sich derzeit um einen Vorschlag, dessen endgültige Umsetzung noch aussteht.

Infobox mit einer kurzen Erklärung, warum es Omnibus Verordnung heißt.

Welche Änderungen sieht die EU Omnibus Verordnung vor?

Zunächst finden Sie einen Überblick zu den geplanten Änderungen. Im Anschluss gehen wir noch etwas genauer auf die vorgeschlagenen Änderungen an der CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie ein.

  • Der Anwendungsbereich der CSRD wird eingeschränkt.
  • Die Pflicht zur erstmaligen Berichterstattung wird zeitlich verschoben.
  • Der Anwenderkreises der EU-Taxonomieverordnung wird eingeschränkt.
  • Die Berichtspflichten für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) werden reduziert.
  • Die Sorgfaltspflichten werden beschränkt auf direkte Geschäftspartner und die zivilrechtliche Haftung gestrichen.
  • Auch die Pflicht zur Einführung sektorspezifischer Standards wird gestrichen und bestehenden Standards vereinfacht.
  • Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte wird geändert.
  • Der Anwenderkreise für Unternehmen mit Muttergesellschaften in Drittstaaten wird eingeschränkt.

Änderungen an der CSRD – was schlägt die EU-Kommission vor?

Der Geltungsbereich der CSRD soll an den der CSDDD angepasst werden. Künftig wären dann nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden sowie einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte gemäß den ESRS (European Sustainability Reporting Standards) zu veröffentlichen. Durch diese Anpassung würden etwa 80 Prozent der Unternehmen von der Berichtspflicht befreit.

EU-Kommissarin Maria Luís Albuquerque hob hervor, dass diese 80-prozentige Entlastung nicht bedeute, dass so viele Unternehmen gänzlich auf Berichterstattung verzichten würden. Sie wies auf geplante Erleichterungen für freiwillige Berichte (dies soll über den VSME-Standard als freiwillige Alternative mit weniger Datenpunkten und Komplexität ermöglicht werden) hin und erklärte, dass solche Unternehmen nicht nur einer „reinen Compliance-Übung“ nachkommen würden, sondern ihre Berichterstattung strategisch sinnvoll gestalten könnten.

Infobox mit einer kurzen Erklärung, was die CSRD ist und welches Ziel sie hat.
Infobox mit einer kurzen Erklärung, was die ESRS ist und welches Ziel sie hat.

Zudem wird ein verschobener Beginn der Berichtspflicht angestrebt: Eine „Stop the clock“-Regelung soll den Unternehmen ausreichend Vorbereitungszeit bieten. Für die Unternehmen, die ab 2026 oder 2027 Bericht erstatten müssen, soll der Starttermin auf 2028 gelegt werden.

Des Weiteren sollen die europäischen Berichtsstandards (ESRS) einer Überarbeitung und Vereinfachung unterzogen werden. Die Anforderung zur Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse bleibt bestehen. Die Prüfung der Berichterstattung soll künftig dauerhaft mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) erfolgen, anstelle der ursprünglich vorgesehenen Prüfung mit angemessener Sicherheit („reasonable assurance“). Die Einführung der angestrebten sektorspezifischen Berichtsstandards (ESRS Set 2) scheint jedoch nicht realisiert zu werden.

Änderungen an der CSDDD – Vorschläge der EU-Kommission

Die Frist für die Einführung der Sorgfaltspflichten soll für die größten Unternehmen um ein Jahr verlängert werden, sodass diese nun am 26. Juli 2028 in Kraft treten. Zudem sollen die Sorgfaltspflichten auf direkte Lieferanten, auch als „Tier 1“ bezeichnet, beschränkt werden. Lieferanten, die weniger als 500 Mitarbeitende beschäftigen, sollen von diesen Anforderungen befreit werden.

Des Weiteren wird die Regelung zur zivilrechtlichen Haftung abgeschafft, was bedeutet, dass die Vorschriften für Haftung und Schadensersatz bei Verletzungen der Rechte von Beschäftigten gelockert werden. Die Pflicht zur Beendigung von Lieferbeziehungen im Falle von Verstößen, auch bekannt als „ultima ratio“, wird entfallen. Schließlich sollen Überprüfungen künftig nur noch alle fünf Jahre statt jährlich durchgeführt werden.

Infobox mit einer kurzen Erklärung, was die CSDDD ist und welches Ziel sie hat.

Änderungen an der EU-Taxonomieverordnung

Die EU-Taxonomie definiert die Kriterien, nach denen die EU und ihre Mitgliedstaaten entscheiden müssen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Die Berichterstattung im Rahmen Taxonomie soll für Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von unter 450 Millionen Euro auf freiwilliger Basis erfolgen.

Für die Berichterstattung gemäß der Taxonomie wird eine finanzielle Wesentlichkeitsgrenze eingeführt. Das bedeutet, dass Unternehmen künftig nur verpflichtet wären, wirtschaftliche Aktivitäten zu bewerten, die finanziell bedeutend für ihr Geschäftsmodell sind. Aktivitäten, die weniger als 10 % der relevanten Kennzahlen ausmachen, gelten als „nicht wesentlich“ und bedürfen keiner umfassenden Analyse bezüglich ihrer Taxonomiefähigkeit und -konformität.

Fatales Signal aus Brüssel? Was avesco von der Deregulierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung hält

Wer uns kennt, der weiß: Auch avesco behält alle Themen rund um Nachhaltigkeit und die Regulatorik aus Brüssel fest im Blick. Wie stehen wir also zu der EU Omnibus Verordnung? „Kritisch“, wäre wohl die Kurzfassung. Denn gerade in einer Zeit, in der Klarheit und Verantwortung wichtigstes Credo sein sollten, legt die EU-Kommission einen Vorschlag vor, der ihr Ziel der Wettbewerbsfähigkeit zwar unterstützt. Dabei allerdings eine umfangreiche Deregulierung in Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Kauf nimmt. Und das, nachdem viele Jahre an Nachhaltigkeitsstandards gearbeitet wurde, um nachhaltiges Wirtschaften endlich auf den Weg zu bringen und somit der Green Economy den Stellenwert einzuräumen, den sie u.a. in Hinblick auf schwindende Ressourcen, verdient.

Die vorgeschlagenen Anpassungen der EU Omnibus Verordnung gehören unserer Meinung nach kontrovers diskutiert. Denn: Mit dieser Initiative verspielt die EU-Kommission auch das Vertrauen derjenigen Unternehmer:innen, die sich an geltendes Recht gehalten haben, in die Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung investiert und Prozesse umgestellt haben – hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Das Signal, welches die EU-Kommission hierdurch sendet ist prekär: Denn während verantwortungsvolle Unternehmen „abgestraft“ würden, können andere Marktteilnehmer agieren wie bisher auch – ohne Konsequenzen. Und mit dem Vorteil, keine finanziellen Mittel, Ressourcen und Kapazitäten ihrer Angestellten in die Umsetzung der Regulatorik gesteckt zu haben.

Zum Schluss haben wir Ihnen noch ein paar Kritikpunkte an der EU Omnibus Verordnung zusammengefasst, die unserer Meinung nach wesentlich sind und von denen wir hoffen, dass sie Sie zum Nachdenken anregen:

  • Schwächung der Unternehmensverantwortung: Der aktuelle Vorschlag mindert die Sorgfaltspflicht der Unternehmen, indem die verpflichtende zivilrechtliche Haftung abgeschafft wird.
  • Gefährdung der Nachhaltigkeitsziele: Die Deregulierung könnte den Fortschritt im Bereich Klimaschutz und Menschenrechte gefährden.
  • Reduzierung der berichtspflichtigen Unternehmen: Die Anhebung der Schwellenwerte für die Berichtspflicht auf über 1.000 Beschäftigte kann als Rückschritt angesehen werden, da bis zu 80 % der bislang berichtspflichtigen Unternehmen dadurch nicht mehr erfasst würden.
  • Benachteiligung von Vorreitern: Unternehmen, die bereits in Compliance-Prozesse investiert haben, würden durch die geplanten Änderungen benachteiligt, während Nachzügler belohnt werden.
  • Planungsunsicherheit: Unternehmen, die bereits erhebliche finanzielle Mittel in die Einhaltung der bisherigen Anforderungen investiert haben und auf die Fortführung der bestehenden Regelungen angewiesen sind, erhalten ein fatales Signal.

Wie so oft bliebe es Sache der Unternehmen, nachhaltig zu agieren und Nachhaltigkeitsberichterstattung durchzuführen. Hier sind wir jedoch klar: Nachhaltigkeit lohnt sich – nur wer die Endlichkeit unserer planetaren Ressourcen akzeptiert, sich fair und sozial verhält und wirtschaftlich clever agiert, wird langfristig erfolgreich sein.

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