Vier Hände halten jeweils ein Puzzleteil symbolisch zusammen. Neben jedem Puzzleteil steht ein Begriff. Die Begriffe lauten: Ökologie, Ökonomie, Soziales und Governance.

Governance einfach erklärt – Teil 1: Grundlagen verstehen

In unserer 3-teiligen Reihe „Governance einfach erklärt“ erfahren Sie, wie sich das Verständnis von Governance über die Jahre verändert hat und welche Definition avesco innerhalb der hauseigenen Nachhaltigkeitsanalyse nutzt. Außerdem erklären wir Ihnen unsere Governance Analyse nach und nach im Detail.

Unser Artikel behauptet, dass er Governance einfach erklärt. Zu diesem Zweck lohnt es sich zunächst zu betrachten, wieso sich Unternehmen oder Staaten überhaupt mit dem Thema Governance beschäftigen. Diese Frage kann durch einen Skandal der vergangenen Jahre exemplarisch beantwortet werden: Im April 2016 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung das größte Daten-Leak, mit dem Journalist:innen je gearbeitet haben. Eine anonyme Quelle übermittelte interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca, die weltweit anonyme Briefkastenfirmen verkaufte. Briefkastenfirmen, die Tag für Tag Sanktionsbrüche begingen sowie Steuerhinterziehung und Geldwäsche betrieben. Praktiken, die eigentlich durch eine sogenannte Governance (deutsch: Steuerung) nicht Teil von Unternehmensführung sein sollten. Die Governance soll nämlich den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen bieten, um eine Organisation – etwa ein Unternehmen – zu leiten und zu überwachen.

Verstößt eine (vielleicht sogar international tätige) Firma gegen Governance-Richtlinien, hat sie nicht nur mit massiven Reputationsschäden zu kämpfen. Auch ihr Wert an den Aktienmärkten wird schlagartig exorbitant einbrechen, wodurch ein Grund offenkundig wird, weshalb sich auch Player der Finanzindustrie, wie avesco, mit dem Thema auseinandersetzen. Doch was bedeutet Governance für uns, die Finanzbranche, nun eigentlich genau und wie hat sich das Verständnis über diesen Begriff im Verlauf der letzten Jahre gewandelt?

Exkurs: Wie hat sich das Verständnis von Governance im Laufe der Zeit entwickelt?

Im Laufe der Zeit hat sich unser Verständnis von Governance auf dem Markt stark verändert. Anfangs ging es vor allem darum, wie Unternehmen ihre Aktionär:innen behandeln und ob sie Gesetze und Richtlinien wie den Deutschen Corporate Governance Kodex einhalten. Später wurde der Begriff „Responsable Corporate Governance“ eingeführt, bei dem auch andere Interessensgruppen neben den Aktionär:innen berücksichtigt wurden. Strukturen, Prozesse, Transparenz und Kommunikation wurden nun zusätzlich betrachtet und es wurde auf die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und die Unternehmenspolitik geachtet.

Das Konzept der „Sustainable Corporate Governance“, berücksichtigte in der Folge nicht nur die genannten Aspekte, sondern auch die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen (von außen nach innen) und die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt (von innen nach außen). Die Messung positiver und negativer Auswirkungen (vgl. Principal Adverse Impacts, kurz: PAIs) sowie der Zweck des Unternehmens rückten in den Blick. Last but not least wurden mit der „Corporate Sustainability Due Diligence“ auch die Auswirkungen außerhalb der direkten Unternehmensgrenzen betrachtet, einschließlich der Verantwortlichkeiten in Lieferketten.

Welche Definition von Governance nutzt avesco?

Nach der Definition aus den aktuellen Entwürfen der ESRS (European Sustainability Reporting Standards) von der EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) ist Governance das System, mit dem ein Unternehmen im Interesse der Share- und Stakeholder:innen geleitet und überprüft wird. Governance umfasst demnach eine Reihe von Beziehungen zwischen dem Management, dem Vorstand, den Aktionär:innen sowie anderen Stakeholder:innen und bietet die Struktur sowie Prozesse, durch welche die Ziele des Unternehmens festgelegt, die Fortschritte im Vergleich zur Leistung überwacht und die Ergebnisse bewertet werden. Dieser Definition schließt sich avesco im Rahmen seiner hauseigenen Nachhaltigkeitsmethode an, die beim avesco Sustainable Hidden Champions Equity Fonds zur Anwendung kommt.

Analysiert werden Hidden Champion-Unternehmen – konkret börsennotierte Unternehmen, die in ihrer Nische Kontinentalmarktführer sind oder zu den Top 3 der Welt gehören. Die Analyse prüft, ob die Hidden Champions Nachhaltigkeit nicht nur eindimensional, sondern ganzheitlich praktizieren; also ob sie Nachhaltigkeit auf den Ebenen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Unternehmensführung (Governance) umsetzen.

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Die Governance Analyse bei avesco

Wie bereits oben erwähnt, wird die Governance bei avesco holistisch auf Unternehmensebene und gleichgewichtet zu den drei Säulen Ökonomie, Ökologie sowie Soziales verstanden. Wir bewerten sie jedoch abseits der drei Säulen und sind der Ansicht, dass sie sich in dreierlei Weise auswirken kann:

  1. Governance kann ein Risiko darstellen, wenn es potenziell negative Auswirkungen durch governance-bezogene Aspekte gibt. Dieser Fall wird im Rahmen unserer Risikoanalyse berücksichtigt.
  2. Governance kann als Potenzialfaktor bestehende oder potenziell positive Auswirkungen nach sich ziehen.
  3. Governance kann als Hygienefaktor
    betrachtet werden, um bestehende
    negative Auswirkungen angemessen einzupreisen.

Skala zur Ermittlung des Governancefaktors

Aus den letzten beiden Fällen ergibt sich avescos Governancefaktor. Dieser kann sich auf die Gesamtbewertung eines Unternehmens positiv wie auch negativ auswirken.

Die folgende Liste gibt Ihnen einen Überblick, welche Bereiche avesco bei der Governance Analyse im Detail betrachtet und welche Befunde in die Bewertung der Unternehmen einfließen:

  • Die Unternehmensstrategie und das Unternehmensgeschäftsmodell – Was?
  • Das Impactmanagement (inside-out) – Doppelte Materialität
  • Das Chancen- und Risikomanagement (outside-in) – Doppelte Materialität
  • Die Unternehmensorganisation und -infrastruktur – Wer?
  • Die Unternehmensinstrumente – Womit?
  • Die Unternehmenskultur, Verhalten und externe Kommunikation (business conduct) – Wie?
  • Die Anreizsysteme – Einflussfaktor
  • Die Eigentümerstruktur – Einflussfaktor
  • Die Political CSR – Systems Thinking

Nachdem wir nun alle Bereiche aufgezeigt haben, bleibt noch zu erklären, was genau jeden Bereich ausmacht. Im zweiten Teil unserer Artikelreihe „Governance einfach erklärt“, erläutern wir Ihnen dann die ersten vier Befunde im Rahmen unserer Governance Analyse. In Teil drei widmen wir uns den restlichen fünf Befunden.

Governance einfach erklärt: Fazit

Unser Anspruch an diesen Artikel lautete: Governance einfach erklärt! Wie beschrieben hat sich Governance von einer reinen Aktionärsorientierung zu einem breiteren Konzept entwickelt, das die Umwelt, soziale Verantwortung und Unternehmenszwecke einbezieht. Levke Seefeld, Mitglied des Sustainable Analysis Teams, fasst die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer Governance Analyse im Unternehmen so zusammen:

„Die (Nachhaltigkeits-)Governance ist das übergreifende System, welches Strukturen und Prozesse beinhaltet und Zuständigkeiten festlegt, damit im Endeffekt negative Auswirkungen des Geschäfts auf die Umwelt und Gesellschaft verhindert und positive Auswirkungen erfolgreich kreiert werden können. Hier geht es daher darum, wie die Potenziale, welche im ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereich identifiziert werden, auch tatsächlich gehoben werden können. Aus diesem Grund ist es elementar, die Governance genauer unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, ob im jeweiligen Unternehmen diese Voraussetzungen zur Realisierung des Potenzials gegeben sind.

Profilfoto von Levke SeefeldLevke Seefeld, Sustainable Analysis bei avesco