Oliver N. Hagedorn im Interview mit CAPinside: „Wir glauben an die Lenkungsfunktion von Geld“

Was sind die Gründe für Ihren Optimismus? 

Hagedorn: Es gibt mehrere Treiber. Der eine ist der Regulierer, der die Branche mehr oder weniger dazu zwingt, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Ein weiterer Treiber ist die Wissensopportunität. Nachhaltigkeit ist schließlich kein Trend, der in der Finanzindustrie erfunden wurde. Wir haben als KonsumentIn jeden Tag Berührungspunkte damit. Ob Reiseverhalten, Ernährung oder beispielsweise Kleidung. Nicht von ungefähr bezeichnet eine Studie von PwC zur Asset-Management-Branche Nachhaltigkeit als die Jahrhundert-Chance.

Zählte das Thema Nachhaltigkeit auch zu einem der Gründe, warum Sie avesco vor mehr als 20 Jahren gegründet haben?

Hagedorn: Nein. Ich bin im Prinzip ein frustrierter Kunde gewesen. Was ich mir an Beratung im Bereich Finanzen vorgestellt habe, bekam ich bei Banken nicht. Das war der initiale Stupser, weil ich davon ausging, dass es vielen so ging wie mir. Ein weiterer Impuls waren die Asset-Management-Principles von Yale und Harvard, die ich in den neunziger Jahren kennengelernt hatte. Ich fand es beeindruckend, dass sich die großen Stiftungsfonds schon damals nicht nur mit Capital Markets beschäftigten, sondern auch mit Assetklassen wie Private Equity, Venture Capital, Forstinvestment und Hedgefonds.

Welche Rolle spielte das Thema Nachhaltigkeit, wenn es nicht der Auslöser war?

Hagedorn: Ehrlich gesagt, zunächst keine Rolle. Ersten Kontakt gab es dann später mit Microfinance, und wir wurden schnell einer der ersten InvestorInnen. Der finale Impuls erfolgte 2011, als wir für einen sehr vermögenden Kunden vor der Fragestellung standen, ob der Kauf eines Biodiesel-Herstellers nachhaltig wäre oder nicht. Das war im Prinzip der Auslöser, sich intensiver mit der Thematik zu beschäftigen.

Titelbild unseres Nachhaltigkeitsberichts

Wie hat sich das Unternehmen diesbezüglich entwickelt?

Hagedorn: Was geblieben ist, ist das Streben nach Excellence und das Einnehmen der KundInnenperspektive. Es geht nicht darum zu überlegen, was mir möglichst viele Leute abkaufen, sondern zu gucken, was die Bedürfnisse der InvestorInnen sind. Wie kann man das Thema Finanzen ein Stück weit anfassbarer machen und aus der Abstraktion herauszubringen? Ich glaube, dass der emotionale Bereich häufig leider viel zu knapp kommt. Das wollen wir ändern. Gerade Nachhaltigkeit ist ja keine exakte Wissenschaft.

Hat sich die Zielgruppe im Laufe der Jahre auch gewandelt?

Hagedorn: Ja, wir waren zunächst originär ein unabhängiger Vermögensverwalter, entsprechend war die Zielgruppe in erster Linie die vermögende Privatperson sowie Stiftungen. 2011 haben wir den Transformationsprozess begonnen. avesco ist nicht mehr als Vermögensverwalter B2C am Markt, sondern wir haben uns entschieden, das Unternehmen zu einem Asset-Manager zu wandeln, der für die Themen Nachhaltigkeit und Impact Investing hochspezialisiert ist.

Was zeichnet die Anlagephilosophie von avesco grundsätzlich aus? 

Hagedorn: Wir haben nicht von ungefähr den Slogan „how money can  make the world a better place”. Wir glauben an die Lenkungsfunktion von Geld, aber dafür muss man einiges bewegen. Konkret bedeutet das, dass wir versuchen, unseren KundInnen – in erster Linie Finanzintermediäre – unser Wissen zu vermitteln beziehungsweise mit ihnen zu teilen, so dass sie im Dialog mit dem Endkunden bzw. der Endkundin kompetenter auftreten können. Und es geht darum, Berührungsängste in diesem Bereich abzubauen. Wir wollen eine Art Sparringspartner sein und helfen, das Thema weiter voranzubringen.

avesco dürften Investoren hierzulande vor allem mit dem erfolgreichen Sustainable Hidden Champions Equity Fonds verbinden. Was macht den Fonds so besonders? 

Hagedorn: Wir investieren in nachhaltige mittelständische Weltmarktführer aus dem deutschsprachigen Raum. Das sind Hidden Champions, die jeweils führend sind in einer ganz speziellen Nische. Diese Nische ist einfacher zu verstehen als etwa der Global Player mit völlig unterschiedlichen Geschäftsmodellen unter einem Dach. Außerdem kommen rund 50 Prozent aller Hidden Champions weltweit aus dem deutschsprachigen Raum. Was lag da näher, als genau diese Unternehmen zu beleuchten? Wir haben keine Sprachbarrieren, die Unternehmen sind bei uns vor der Tür und gleichzeitig in der Welt zuhause.

Warum nur der deutschsprachige Raum? So beschränken Sie doch das Anlageuniversum erheblich.

Hagedorn: Zahlenmäßig mag das stimmen, aber tatsächlich handelt es sich um die Elite des deutschen Mittelstandes. Um das einmal zu verdeutlichen: Man geht hierzulande bei 3,2 Millionen Unternehmen von ungefähr 1500 Hidden Champions aus, die für 25 Prozent der deutschen Exportleistung stehen.

Wie suchen und finden Sie die Hidden Champions?

Hagedorn: Wir haben eine eigene ganzheitliche Methodik entwickelt. Sie basiert auf den drei Säulen der Nachhaltigkeit, die wir integriert betrachten: die ökonomische, die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit. Basis sind die langjährigen Forschungen von Prof. Hermann Simon, dem Begründer des Begriffs Hidden Champions, und unsere eigenen Recherchen.

Stichwort Titelselektion. Worauf schauen Sie genau?

Hagedorn: Tatsächlich sind es zwei wesentliche Kriterien: Ist das Unternehmen wirklich ein Hidden Champion? Und zweitens: Kann das Unternehmen auf Basis unserer speziellen Methodik eine Nachhaltigkeitsleistung belegen? Das bedeutet: Wir versuchen, ein Geschäftsmodell im Kontext der Branche, in dem das Geschäftsmodell umgesetzt wird, auf die Nachhaltigkeitsleistung zu überprüfen. Und die Blickwinkel, die wir da einnehmen, sind die ökonomische, die ökologische und die soziale Nachhaltigkeit. Wir betrachten das Unternehmen somit ausgewogen. Wir haben nie verstanden, wie man die ökonomische Nachhaltigkeit separat betrachten kann von der ökologischen und sozialen. Die Frage, auf die es ankommt, lautet: Zerstört ein Geschäftsmodell Potenziale in diesen drei Bereichen, erhält es sie oder schafft es neue? Erhalt und Schaffung neuer Potenziale kann per se nachhaltig sein, weil nur dann sind sie für zukünftige Generationen verfügbar.

Autor: Heino Reents | 1. Veröffentlichung: 25.02.2021 | Plattform: CAPinside