Der FRoSTA-Chef über die Mission des Tiefkühlkost-Herstellers

„Progress means simplifying, not complicating” Bruno Munari, Industriedesigner (Fortschritt muss einfach, nicht kompliziert sein) – dieser Satz gefällt Felix Ahlers. Der Chef des Tiefkühlkost-Herstellers FRoSTA findet es gut, „Dinge einfach zu machen, weil das sinnvoll ist“. Entsprechend hat er die Zutatenliste für alle FRoSTA-Produkte reduziert und ein Reinheitsgebot erlassen, um den unverfälschten Geschmack der Lebensmittel optimal zur Geltung zu bringen. Die klassische Küche ist das Ideal des Hanseaten, der das Familienunternehmen konsequent auf Transparenz, Qualität und Nachhaltigkeit getrimmt hat. Mit diesem Dreiklang ist Ahlers mit FRoSTA der Aufstieg zum Marktführer für Tiefkühlgerichte in Deutschland gelungen.

SHC: Felix Ahlers, Sie haben sich Zeit gelassen, bevor Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters gestiegen sind. Kochlehre und VWL-Studium in Frankreich, Job bei einem Lebensmittel-Hersteller in Italien, Master in den USA, Hotelmanager in Frankfurt. Wie wichtig war dieser Vorlauf für Ihre Aufgabe als Firmenchef?

Felix Ahlers: Sehr wichtig. Als junger Mann wollte ich nur kochen. Was lag da näher, als eine Kochlehre zu machen? Also bin ich nach Paris ins Hotel „Le Bristol“ gegangen. Alles Weitere hat sich dann ergeben, die folgenden Stationen waren ungeplant, aber prägend. Das Leben in unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Mentalitäten hat mich flexibler gemacht. Ich kann Menschen und ihre Einstellungen besser verstehen. Und meine Kochleidenschaft ist natürlich hilfreich, wenn es bei unseren FRoSTA-Gerichten um Qualität und guten Geschmack geht.

Dafür haben Sie 2003 das „Reinheitsgebot“ in Ihrem Unternehmen eingeführt. Doch der Verzicht auf Zusatzstoffe hat FRoSTA in eine existenzielle Krise gestürzt. 7 Millionen Euro Verlust, jede zehnte Stelle wurde gestrichen. Gab es nie Zweifel an Ihrer Strategie?

Ahlers: Nein, die Logik war für uns immer klar. Seit meiner Kochlehre beschäftige ich mich mit dem Thema. Es geht darum, Lebensmittel optimal zu verarbeiten und jedes Teil zu nutzen, um einen guten Geschmack zu erzeugen. Kochen und Zubereiten mit reinen Zutaten, ohne Hilfsmittel – das war und ist die Mission. Seit 1988 haben wir hoch engagiert daran gearbeitet, das Reinheitsgebot in der industriellen Produktion umzusetzen. Unser Enthusiasmus hat bei Freunden funktioniert, nicht aber bei Millionen Verbrauchern. Inhaltlich haben wir einiges falsch gemacht. Doch unsere Strategie, auf Zusatzstoffe zu verzichten, wurde nie in Frage gestellt.

Trotz des Rückschlags haben Sie die Fortführung der Qualitätsstrategie vorangetrieben und sind in den Vorstand aufgerückt. Was war Ihr Ziel?

Ahlers: Den Verbrauchern zu zeigen, dass Tiefkühlkost gesund, lecker und vergleichsweise günstig sein kann. Mein Ideal ist die klassische Küche. Gutes, einfaches Essen, nachhaltig und ohne Tricksereien hergestellt. Auch FRoSTA hat, wie die Konkurrenz, über viele Jahre den falschen Ansatz verfolgt: Lebensmittel so preiswert wie möglich zu produzieren, um im Wettbewerb bestehen zu können. Diese Logik war falsch. Als ich ins Unternehmen kam, haben die Mitarbeiter ihre eigenen Produkte nicht gegessen. Zu meiner Überraschung gab es nur Lebensmittelchemiker, keine Köche. Die Fehler lagen auf der Hand, alles war so offensichtlich. Also habe ich die Firma neu ausgerichtet und versuche seitdem stetig, Dinge durchzusetzen, von denen ich überzeugt bin, auch wenn das oft schwierig und kostenintensiv ist.

Wie Ihre Transparenzoffensive. FROSTA druckt als erstes und bisher einziges Unternehmen auf jedes Produkt eine individuelle und vollständige Zutatenliste. Warum dieser Aufwand?

Ahlers: Transparenz gehört ebenso zu unserem Wertekanon wie soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Ich bin mir sicher, dass wir damit Verbraucherwünsche erfüllen. Dass eine solche Transparenz betriebswirtschaftlich riskant sein kann, wissen wir. Doch wir sind überzeugt, den richtigen Weg zu gehen. Wenn wir erfolgreich sind, ziehen die Wettbewerber nach und werden auch besser. Das ist der Multiplikator-Effekt. Wenn unsere Ideen kopiert werden, ist das das beste Lob.

Wie stark war und ist der Gegenwind aus der Lebensmittelbranche?

Ahlers: Es gab Anfeindungen, aber die gibt es immer. Einige Wettbewerber verstehen uns und denken, so wie FRoSTA müssten sie es auch machen. Doch es fehlt der Mut zur Umsetzung. Andere halten unser Tun für Schwachsinn und werfen uns vor, die Branche in Misskredit zu bringen. In der Lebensmittelindustrie herrscht ein großer Beharrungswille, der Status Quo wird verteidigt. Verbrauchern wird nur das erzählt, was sie hören möchten. Nicht umsonst gibt es immer wieder Lebensmittelskandale.

Fehlt die Einsicht nicht auf beiden Seiten? Will das Gros der Kunden überhaupt umfassend informiert werden, ist nicht der Preis nach wie vor das stärkste Kaufargument?

Ahlers: Der Preis spielt natürlich eine große Rolle, und nicht jeder Kunde interessiert sich für die Inhaltsstoffe und deren Herkunft. Doch die Frage ist: Was kommt zuerst? Liegt es an der Industrie, die den Verbrauchern Scheinwelten vorgaukelt, oder liegt es an den Kunden, die nicht verstehen wollen? Ich denke, der Verbraucher hat keine Chance, sich realistisch zu informieren. Es gibt keine Vorgaben, die die Hersteller zu klaren und verständlichen Hinweisen auf Verpackungen verpflichten. FRoSTA tut das seit Jahren. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Diese Diskussion wird seit über zehn Jahren geführt.

Als Marktführer sind Sie Vordenker und kreieren Innovationen. Was sind die großen Herausforderungen?

Ahlers: Ein großes Zukunftsthema für FRoSTA sind Verpackungen. Wir haben schon viel verbessert. Die Farben sind wasserlöslich, das Material ist weiß und lässt sich besser recyceln. Doch wir sind noch lange nicht da, wo wir sein müssten. Verpackungen sollten nicht mehr aus Kunststoff, sondern papierbasiert und komplett kompostierbar sein. Gleichzeitig müssen sie funktionieren, gut aussehen und bezahlbar sein. Um das zu erreichen, investieren wir in Forschung und Entwicklung, lange bevor wir profitieren. Auch das motiviert unsere Mitarbeiter.

Sie betonen das Wir-Gefühl bei FRoSTA. Was tun Sie, um Ihre Mitarbeiter mit ins Boot zu holen?

Ahlers: Das Verhältnis zu den Mitarbeitern ist essenziell. Mir ist es wichtig, dass jeder von dem überzeugt ist, was er tut, was wir tun. Konzernübergreifend tauschen wir uns alle sechs Monate aus. Da geht es um offene Fragen, unsere Strategien, neue Entwicklungen und wir bekommen Anregungen, was wir besser machen können. Kontinuierliche Verbesserungen und die Kommunikation im Berufsalltag laufen über die interne Facebookseite und den FRoSTA-Blog. Verbindend kommt noch hinzu, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter FRoSTA-Aktien hält und sich so als Miteigentümer des Unternehmens fühlt.

Wie gehen Sie mit den Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung um? Wie federn Sie die Folgen für die Belegschaft ab?

Ahlers: Ich sehe eher Chancen. Innovative Firmen, die in Zukunftsthemen investieren und nachhaltig produzieren, werden sich behaupten – egal ob groß oder klein. Trotzdem muss man selbstkritisch und fordernd mit sich selbst sein, immer wieder Dinge neu anstoßen. Das ist der Wettbewerb, den ich als sportlichen Anreiz betrachte. Innovative Technologien vernichten nicht nur Jobs, sie schaffen auch neue und die sind in der Regel besser bezahlt und anspruchsvoller. Stupide Arbeitsplätze fallen weg – davon profitieren alle.

Apropos Anreiz. Was hat Sie bewogen, eine Kaffeefirma in Äthiopien zu gründen? Reines soziales Engagement?

Ahlers: Ich bin leidenschaftlicher Kaffeetrinker. Als ich in Afrika unterwegs war, stellte ich fest: Entwicklungshilfe über Geldtransfers ist unsinnig. Mir wurde schnell klar, dass man den Menschen vor Ort die Chance geben muss, neue Arbeitsplätze zu schaffen, die mehr Qualifikation erfordern. Es reicht nicht, den Kaffee anzupflanzen und zu ernten. Bei den Bauern bleibt nichts hängen. Der Kaffee muss vor Ort produziert und ins Ausland verkauft werden. Deshalb habe ich Solino gegründet und fungiere als Brückenbauer zu den Endverbrauchern in Deutschland. Wenn wir nicht wollen, dass die Unzufriedenen in Boote steigen und zu uns kommen, müssen wir den Menschen in ihren Heimatländern Chancen eröffnen. Ich bin überzeugt: Handel bewirkt mehr als Entwicklungshilfe!

Sie haben die Flüchtlingsthematik angesprochen – ein Problem dieser Welt, die durch Kriege, Terrorismus und die Folgen des Klimawandels aus den Fugen geraten scheint. Was nehmen Sie als größte Bedrohung wahr?

Ahlers: Grundsätzlich: den Unterschied zwischen armen und reichen Ländern. Flucht ist vor allem eine Reaktion auf die Perspektivlosigkeit in den armen Ländern. Selbst in den kleinsten Dörfern Afrikas wissen die Menschen, wie es woanders aussieht. Wünsche und Begehrlichkeiten werden geweckt. Die Digitalisierung macht die Welt zu einem transparenten Ort. Wenn sich die Industrienationen weiter abschotten und die Kluft zwischen Arm und Reich zu groß wird, ist die Welt nicht überlebensfähig. Wir müssen den technologischen Fortschritt als Chance wahrnehmen, um etwas gegen den wachsenden Riss zu tun. Jeder Einzelne ist gefordert und kann einen Beitrag leisten.

Es heißt: Tue Gutes und rede darüber. Sie gelten als zurückhaltend. Ein Mensch, der seine Prinzipien lebt. Wie würden Sie sich beschreiben?

Ahlers: Ich handle aus Überzeugung! Wenn Dinge für mich klar und logisch sind, verfolge ich das Ziel mit Ernsthaftigkeit und Umsetzungsstärke. Ich habe einen langen Atem, Rückschläge schrecken mich nicht. Ich kann gut zuhören. Liege ich falsch, korrigiere ich mich, behalte mein Anfangsziel aber im Auge. Ich mag Herausforderungen und bin viel unterwegs, auch im Ausland. Routine kommt da nie auf. Für den nötigen Ausgleich sorgt meine Familie. Meine Frau und die Kinder sind mein Lebensmittelpunkt. Sport entspannt mich. Ich bin ein leidenschaftlicher Kitesurfer.

Was wünschen Sie sich für FRoSTA?

Ahlers: Dass wir immer die richtigen, die guten Ideen haben, die dann auch nachhaltig erfolgreich sind.

FRoSTA / Branche: Lebensmittel / Gegründet: 1905 / Mitarbeitende: 1.665 / Aktienkurs