Unsere Hidden Champions auf dem Prüfstand – wie avesco mit Kontroversen umgeht

Bei avesco beschäftigt sich ein hausinternes Nachhaltigkeitsteam mit der Bewertung der sogenannten Hidden Champions. Hidden Champions sind Unternehmen, welche zumeist in ihren Nischen Kontinentalmarktführer sind oder zu den Top 3 der Welt gehören. Unser Nachhaltigkeitsteam analysiert, ob ein Hidden Champion ökonomische, ökologische oder soziale Potenziale zerstört, erhält oder sogar neue erschafft – beispielsweise durch die Entwicklung innovativer Technologien. Nur wenn ein Unternehmen zum Erhalt und zur Schaffung neuer Potenziale beiträgt, kann es per se nachhaltig sein. Nur in diesem Sinne sind die Potenziale auch für zukünftige Generationen verfügbar, wie etwa eine intakte Umwelt sowie wirtschaftliche und / oder soziale Gerechtigkeit.

Die Aufgabe des Nachhaltigkeitsteams ist es, zunächst einmal neue, nachhaltige Hidden Champions zu identifizieren und zu prüfen. Für diesen Prozess wurde die avesco-interne Nachhaltigkeitsmethode entwickelt. Mit dieser holistischen Methode überprüfen wir ein Unternehmen auf dessen Nachhaltigkeit. Nur wenn es ein Hidden Champion durch die Prüfung schafft, wird er in den avesco Sustainable Hidden Champions Aktienfonds aufgenommen. Und wie es so schön heißt: Nach der Prüfung ist vor der Prüfung im Sinne von „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Das heißt, ist ein Hidden Champion ins Portfolio aufgenommen, verantwortet das Nachhaltigkeitsteam auch das fortwährende Monitoring. Treten in der Zukunft Kontroversen auf, wird neu über den Verbleib der Unternehmen im Fonds diskutiert und entschieden.

Wie genau verfährt das Nachhaltigkeitsteam mit Kontroversen?

Für den Fall, dass es zu einer kontroversen Meldung kommt bezogen auf ein Unternehmen, hat das Nachhaltigkeitsteam folgenden Prozess aufgesetzt:

  1. Meldung lesen und einordnen: Das Team ordnet ein, ob eine Meldung Einfluss hat auf das Geschäftsmodell oder die Nachhaltigkeit eines Unternehmens – sowohl auf ökonomischer, ökologischer und sozialer Ebene sowie im Bereich Governance. Es ist auch zu klären, ob zukünftige potenzielle Risiken anders bewertet oder neu hinzugefügt werden müssen.
  2. Rücksprache mit dem Team: Hier tauscht sich das Nachhaltigkeitsteam mit dem Portfoliomanagement aus. Außerdem wird das Unternehmen kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten.
  3. Prüfung ob die Bewertung durch das Analyse-Team angepasst werden muss: In diesem Schritt wird geklärt, ob Änderungen an der Bewertung im Bereich Ökonomie, Ökologie, Soziales oder Governance vorgenommen werden müssen und / oder die Risikobewertung aktualisiert werden muss.
  4. Ergibt sich aus Schritt 3 eine neue Bewertung eines Unternehmens, wird anhand der neuen Gesamtbewertung entschieden, ob ein Unternehmen im Portfolio verbleibt oder abverkauft wird.
  5. Marketing informieren und ggf. Engagement mit dem Unternehmen: Auch das Marketingteam wird über den Ausschluss, die Gründe und das Engagement informiert für eine nachhaltige Kommunikation. Der Engagement-Prozess könnte beispielsweise so aussehen, dass nach einiger Zeit nachgefragt wird, inwieweit die Kontroverse noch besteht oder ob der erbrachte Einwand berücksichtigt wurde.

Der Prüfprozess bei Kontroversen zu den Hidden Campions

 

Q & A Session: Wir haben konkret nachgefragt beim Nachhaltigkeitsteam

Marketing: Wie häufig habt ihr circa in einem Jahr mit Kontroversen bezüglich unserer Hidden Champions zu tun?

Nachhaltigkeitsteam: Pro Jahr kommt es etwa zu 3-4 größeren Kontroversen, welche auch ein weiteres Vorgehen nach sich ziehen; mehrheitlich tauchen eher kleinere Kontroversen auf, die nur beobachtet werden. Im Jahr 2021 gab es bisher Kontroversen bei den Unternehmen Lenzing, FRoSTA, Wacker Chemie und Sonova.

Marketing: Was sind eure ersten Gedanken, wenn ihr eine kontroverse Berichterstattung über einen unserer Sustainable Hidden Champions lest?

Nachhaltigkeitsteam: Natürlich versuchen wir durch die Analyse, die Wahrscheinlichkeit eines solchen Auftretens möglichst gering zu halten und nur in Unternehmen zu investieren, welche nicht so stark gefährdet von Kontroversen sind (Risikoreduktion). Nichtdestotrotz sind wir gewissermaßen gezwungen, einen Vertrauensvorschuss zu geben, da nicht zuletzt die Transparenz in der Berichterstattung immer noch stark ausbaufähig ist. Manche kleineren Unternehmen haben schlichtweg nicht die Ressourcen, um uns die nötigen Informationen zu geben, welche eine vollständigere Bewertung ermöglichen würden. Zudem handelt es sich mitunter um große Unternehmen, welche lange und komplexe Lieferketten sowie Produktionsnetzwerke haben und daher nun einmal solche Risiken bergen. Zudem ist es leider auch nicht unüblich in der unternehmerischen Welt, dass solche Kontroversen auftreten – kontrovers sind sie ja nicht zuletzt, weil manch einer auch anders darüber denken kann und dadurch kein eindeutiges Urteil möglich ist, es ist ja häufig ein Abwägen zwischen verschiedenen Positionen (bspw. bei Vergütungs- und Renditenerhöhung und gleichzeitigem Mitarbeiterabbau).

Sicherlich sind wir mitunter auch enttäuscht oder schockiert, wie es zu solchen Vorfällen kommen konnte – natürlich auch abhängig davon, ob das Unternehmen absichtlich eine solche Kontroverse entstehen lassen hat oder ob es unwissentlich geschehen ist. Zugleich sind wir den Recherchen von Dritten dankbar und dass diese unerlässlich dafür kämpfen, Licht in solche Kontroversen zu bringen.

Marketing: Wie gut funktioniert eure Standard-Vorgehensweise bezüglich Kontroversen? Ist alles routiniert und jegliche Eventualitäten dadurch abgedeckt?

Nachhaltigkeitsteam: Jede Kontroverse ist ein bisschen anders und daher erfordern sie natürlich auch etwas angepasste Vorgehensweisen. Wenn uns eine Kontroverse bekannt wird, dann prüfen wir erstmal durch weitere Recherche die genaue Sachlage und ob das Unternehmen bereits Stellung genommen hat. Dann wird das weitere Vorgehen beschlossen und eingeleitet. Eine einheitliche Vorgehensweise ist daher manchmal wenig sinnvoll und zu starr, um auf Besonderheiten einzugehen.

Marketing: Wie verlaufen die Gespräche bezüglich Kontroversen mit den Hidden Champions? Sind diese „besonders unangenehm“?

Nachhaltigkeitsteam: Wir empfinden diese Gespräche und die schriftliche Kommunikation immer als äußerst spannend. Leider erhält man ja häufig nur vorgefertigte Aussagen und Standpunkte, welche auch der Presse genannt werden, aber im Gespräch lässt sich zwischen den Zeilen und aus der Gesprächsatmosphäre ja noch einmal mehr herauslesen und eine grundsätzliche Einstellung wahrnehmen. Aber auch wenn die Gespräche bezüglich des Inhalts einer Kontroverse meist eher wenig aufschlussreich sind, lässt sich viel über die zuständigen Personen im Bereich Investor Relations oder der Nachhaltigkeitsabteilung lernen und wie diese mit der Kontroverse umgehen.

Marketing: Wieso ist es so wichtig, bei Kontroversen auf die Unternehmen zuzugehen?

Nachhaltigkeitsteam: Kontroversen zeigen im Endeffekt die Schwachstellen auf in der Unternehmensstruktur und -strategie wie auch bei der Nachhaltigkeitsstrategie. Daher sind es wichtige Indikatoren für die allgemeine Nachhaltigkeitsbewertung. Kontroversen lassen sich nicht immer verhindern, jedoch ist es wichtig, zu analysieren, wie das Unternehmen mit solchen Kontroversen umgeht, welche Schritte oder präventive Maßnahmen es daraufhin einleitet, um weiteres zu verhindern. Der Dialog mit den Unternehmen ist wichtig, da es sich um einen guten Ansatzpunkt für Engagement handelt und im Dialog deutlich wird, wie das Unternehmen wirklich mit der Kontroverse umgeht. Ein persönliches Gespräch oder selbst ein Mailverkehr sind da aufschlussreicher als eine standardisierte Pressemitteilung.

Marketing: Wie „heftig“ diskutiert ihr innerhalb des Teams über den Verbleib eines Hidden Champions innerhalb unseres Portfolios?

Nachhaltigkeitsteam: Häufig sind wir recht ähnlicher Meinung, da wir die Kontroverse ja oft aus dem gleichen Blickwinkel betrachten. Dennoch diskutieren wir alle erhältlichen Informationen sorgfältig, um eine fundierte Entscheidung im Sinne unserer Anlagestrategie und Nachhaltigkeitskriterien zu treffen. Zudem muss ein Ausschluss eines Unternehmens ja auch stets durch eine Abwertung in der Analyse erfolgen, d.h. wir überlegen im Team, an welchen Stellen das Unternehmen aufgrund der Kontroverse abgewertet werden muss oder ob weitere Risiken bepunktet werden müssen. Dadurch findet ein Divestment nicht einfach nach Gutdünken statt.

Kam es schonmal zu einem Divestment aufgrund einer Kontroverse, welches dann später „rückgängig“ gemacht wurde?

Nachhaltigkeitsteam: Bei einer Kontroverse rundum das Unternehmen Lenzing hat avesco die Position im Fonds reduziert, aus Risikoabwägung, wir wussten ja nicht was kommt. Später haben wir die Position wieder aufgebaut als klar war, dass Lenzing nichts nachzuweisen war.

Marketing: Danke für eure Antworten!

Kontroversen bei den Hidden Champions in avescos Portfolio – zwei Beispiele

Führt eine Kontoverse über einen Hidden Champion dazu, dass die Bewertung des Unternehmens in den Bereichen Ökonomie, Ökologie, Soziales oder Governance angepasst werden muss und / oder die Risikobewertung neu eingeschätzt werden muss, gibt es im Wesentlichen zwei Szenarien. Zum einen: Ein Unternehmen verbleibt im Fonds, aber die Gewichtung im Fonds wird neu berechnet und die Position wird reduziert. Zum anderen kann es vorkommen, dass die neue Bewertung nicht mehr dem Nachhaltigkeitsanspruch von avesco entspricht und abverkauft wird, d. h. der Hidden Champion muss den Fonds verlassen.

Der Abverkauf von Knorr-Bremse

Ein Beispiel für letzteres Vorgehen war die Kontroverse rundum das Unternehmen Knorr-Bremse. Im Zuge der Corona-Krise hatte Knorr-Bremse eine Pressemitteilung veröffentlicht. Darin wurde zum einen angekündigt, Arbeitsplätze in Nord- und Südamerika abzubauen, zum anderen aber auch, dass die Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr in Höhe von 40-50 % des Gewinns beibehalten werden soll.
avesco hat darin eine sehr unsolidarische Haltung gesehen, denn bei der Dividende ging es um einen hohen Betrag in der Größenordnung von 300 Millionen Euro, der vor allem dem größten Einzelaktionär, der 70 % hält, zugutekam, während gleichzeitig etliche Menschen ihre berufliche Existenz verloren.
Daraufhin hat avesco Kontakt zu Knorr-Bremse aufgenommen und das Unverständnis über diesen Schritt zum Ausdruck gebracht, verbunden mit der Ankündigung, dass avesco den Titel aus diesem Grund aus dem Sustainable Hidden Champions Fonds verkauft. Dies ist daraufhin erfolgt. Dieser Entschluss wurde getroffen, da sich avesco der Argumentation des Unternehmens nicht anschließen konnte, denn angesichts der gegenwärtigen Krise wäre eine Kürzung der Dividende zum Erhalt von Arbeitsplätzen nur allzu verständlich und sogar vorbildlich gewesen.

Aurubis AG: weiterhin im Portfolio, aber neu gewichtet

Wie schon eingangs erwähnt, verbleibt das Gros der Unternehmen nach einer Kontroverse und Neubewertung im Portfolio, was sich ändert, ist die Gewichtung im Fonds. Beispielsweise gab es in diesem Jahr eine Kontroverse bei der Firma Aurubis AG. Worum ging es? Aurubis hatte am 11. August 2020 eine Absichtserklärung mit dem norwegischen Minenpartner Nussir ASA unterzeichnet. Ziel war zum späteren Zeitpunkt einen Liefervertrag über Kupferkonzentrate abzuschließen – vor dem Hintergrund das Nussir plante, die weltweit erste vollständig elektrifizierte Mine mit null CO2-Emissionen zu betreiben. Das Problem: Die Mine wäre in einem Gebiet gelegen, in welchem die samische Bevölkerung ihre Rentierherden hält; die Existenzgrundlage dieser Bevölkerungsgruppe. Somit waren die Rechte lokaler Minderheiten gefährdet. Die Kontroverse wurde bei avesco im Rahmen einer Folgebewertung untersucht und im Unternehmens-Call angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war die Beendigung der Absichtserklärung noch nicht entschieden und Aurubis zeigte sich verhalten in Äußerungen zu der Kontroverse. Im Zuge der Neubewertung des Unternehmens durch unser Analyse-Team wurde die Risikobewertung von Aurubis angepasst. Woraufhin der Hidden Champion im Fonds neu gewichtet wurde. Auf Druck der Öffentlichkeit wurde die Absichtserklärung zwischen der Aurubis AG und Nussir ASA inzwischen aufgehoben.

Zusammengefasst: Ad hoc-Meldungen beziehungsweise Kontroversen zu den Hidden Champions im SHC-Portfolio können dazu führen, dass diese eine Auswirkung auf das Geschäftsmodell oder die Nachhaltigkeit eines Unternehmens haben. Deshalb prüft unser Analyse-Team, ob bei sehr kritischen Meldungen die Bewertung außerhalb des Folgebewertungszyklus angepasst werden muss und so eventuell auch ein Ausschluss eines Hidden Champion aus dem Portfolio erfolgen könnte.