Cicrular Economy Tour

Im Kreislauf denken: Die Konsumwirtschaft

Verschmutze Meere, immer nährstoffärmere Böden, Wegwerfprodukte und endliche Ressourcen – die Liste an ökologisch-sozial bedingten Problemen innerhalb unserer Gesellschaft weltweit ist lang. Wie schön, dass es allerdings auch Lösungskonzepte gibt. Getreu dem Motto: „Think global, act local“ hat sich das avesco-Team Ende Oktober auf eine geführte Stadttour durch die Berliner Bezirke Prenzlauer Berg und Mitte begeben.
Unsere Eindrücke der Circular Economy Tour mit Guide Marie schildern wir in diesem Blogpost.

  1. Station: Textilhafen Berlin

Zu Beginn unserer Tour lädt uns Marie ein, per Echtzeitstatistik auf der Seite von Globometer zu tracken, wie viele Jeans während der Dauer unserer Tour verkauft und wie viele Tiere für ihr Fell getötet werden. Gesagt, getan und schon läuft der Zähler.
Im Textilhafen Berlin werden wir von einem bunten Team aus Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen begrüßt und mit folgenden Fragen bedacht: Wie viele Paar Jeans werden weltweit pro Jahr verkauft? Und wie lange werden sie getragen? Was passiert mit Kleidung, nachdem wir sie entsorgen oder spenden? Die große Lagerhalle, vollgestapelt mit großen Säcken, lässt leichte Beklemmung aufkommen. Und tatsächlich: Jedes konventionell erworbene Kleidungsstück kann unliebsame ökonomische, ökologische und soziale Folgen haben. Im Textilhafen hat sich die Berliner Stadtmission deshalb zur Aufgabe gemacht, den Textilkreislauf zu schließen: Sortierung – Verkauf – textiles Upcycling und, in Kooperation mit den Kleiderkammern und Kiezläden, die Ausgabe an Bedürftige.

Aus den sortierten alten Stoffen und Garnen können wieder neue Textilien hergestellt werden. Autositze zum Beispiel. Der Textilhafen verschickt die Kleidungsstücke aber auch häufig in osteuropäische Länder, da der Markt dort für insbesondere No Name Second Hand Ware größer ist als in Deutschland – hier wird Second Hand eher mit Vintage oder der Schnäppchenjagd nach Designerstücken in Verbindung gebracht.
Inmitten des Textilhafens fällt es leicht, unseren Gastgeber*innen zu glauben, wenn sie sagen: „Wir leben im absoluten Überfluss und wollen Menschen dafür sensibilisieren, Kleidung nicht mehr neu und von der Stange zu kaufen“.

  1. Station: Hubus

Hinterher erwartet uns Julia Seidel, eine der Gründerinnen von Hubus, mit einer ganz besonderen Geschäftsidee. Sie leitet ihren Vortrag ein mit den Worten: „Unsere Böden werden immer nährstoffärmer, wodurch 90% unserer Lebensmittel auch immer weniger Nährstoffe enthalten. Gleichzeitig entsorgen wir jedoch allein in Berlin ca. 68 kg Biomüll pro Person und Jahr. Dieser Müll ist nährstoffreich und die sollten über Kompostierung wieder dem Boden zugeführt werden“.
Was allerdings tun, wenn kein eigener Garten vorhanden ist in der Stadtwohnung? Die Antwort sorgt definitiv für emotionale Reaktionen: Eine Hubus-Wurmkiste in die Wohnung stellen.

Mit Hubus wird Biomüll durch Regenwürmer zu Wurm-Humus abgebaut. Dieser gilt mitunter als bester Humus, da er extrem nährstoffreich ist und sehr viel Wasser binden kann. Und: Die Regenwürmer arbeiten konstant Sauerstoff in die Abfälle ein, wodurch die Wurmkiste laut Julia mit einem neutralen Geruch punkten soll.

Wir lernen außerdem, dass auch Regenwürmer Gusto haben: Der Biomüll sollte durchaus abwechslungsreich sein, wenig Zitrusfrüchte enthalten (an die ätherischen Öle können sich die Würmer jedoch sukzessive gewöhnen), Eierschalen dürfen es auch ab und zu sein. Beim ersten Durchlauf benötigen die Kompostwürmer 6 Monate, um wertvollen Humus und nährstoffreichen „Wurmtee“ herzustellen. Hinterher verkürzt sich die Wartezeit auf 3 Monate. Und: Pflegeleicht ist die Wurmpopulation auch. 2-3 Wochen kommt sie auch ohne Futter aus. Dem Sommerurlaub steht also nichts im Wege.

  1. Station: ECOALF

Dass kaputte Fischernetze im Meer landen, ist höchstwahrscheinlich keine neue Information, dass diese Netze jedoch aus den hochwertigsten Fasern bestehen, vielleicht schon eher. Warum also nicht die Umwelt entlasten und gleichzeitig hochwertige Textilien aus den gesammelten Fischernetzen herstellen? Genau das dachte sich das spanische Upcycling Modeunternehmen ECOALF.
Inzwischen nutzt das Unternehmen nicht mehr nur Fischernetze, um hochwertige Kleidung herzustellen: Auch Plastikflaschen, Einwegplastik und Autoreifen (daraus können Flipflops hergestellt werden) finden ihren Platz im ECOALF-Universum. Als Futtermaterial in Winterjacken wird teils sogar getrockneter Kaffeesatz eingesetzt; dieser zieht als positiven Nebeneffekt auch Feuchtigkeit aus der Kleidung.
ECOALF hat verschiedene Recyclingprojekte mit Fischer*innen aufgesetzt, die Netze und Plastikmüll für sie an Land ziehen. Davon landet sowieso immer mehr in den Netzen, je weiter die Meeresverschmutzung fortschreitet. Das Konzept der hochwertigen Recycling-Kleidung geht jedenfalls auf: Inzwischen betreibt die Firma auch einen Shop bei Saks in New York City.

  1. Station: Kaffeeform

Kaffee zählt zu den beliebtesten Getränken weltweit und ist fest verankert in vielen Kulturen. Was allerdings tun gegen Einwegbecher und mit dem anfallenden Kaffeesatz?

Denn dieser wird ebenfalls kontinuierlich mehr…
Diese Frage beschäftigte Produktdesigner und Kaffeeform-Gründer Julian Lechner immer stärker und so ließ er sich auf das Abenteuer ein, Kaffeesatz zu recyclen um diesen wieder in den Kreislauf der Cafés und Kaffeeliebhaber*innen zu führen: Als Tasse oder To Go-Becher. Ausgangsbasis für die Substanz sind Kaffeesatz und nachwachsende Rohstoffe – und diese Masse kann in nahezu jegliche Form gespritzt werden. Die Produktion erfolgt mit sozialen und lokalen Partner*innen in Deutschland, der benötigte Kaffeesatz wird per Fahrradkurier von ausgewählten Cafés und Röstereien in Berlin abgeholt. Einmal im Einsatz, lebt das Produkt circa 4 Jahre in der Gastronomie, privat sogar deutlich länger. Und das Endprodukt kann sich absolut sehen lassen, die ein oder andere Weihnachtsbestellung wird sicherlich bei Julian eingehen.

Was wir mitnehmen können

Am Ende unserer Tour fällt der Blick auf die Echtzeitstatistik von Globometer. Während der 3,5 Stunden wurden weltweit:

  • 584.591 Jeans verkauft, und
  • 16.251 Tiere für ihr Fell getötet

Diese Zahlen stimmen nachdenklich, Tourguide Marie bringt es jedoch auf den Punkt: „Kreislaufwirtschaft ist überall um uns herum in Berlin und die Märkte ändern sich, gerade jetzt, bedingt durch das Lieferkettengesetz. Jede und jeder kann die eigenen Konsumgewohnheiten überdenken, kleine Schritte sind ein super Anfang“. Voller Ideen machen wir uns auf den Rückweg und überlegen, wie auch wir das Thema Kreislaufwirtschaft in unserem Berliner Büro etablieren können.

Autorin: Elisabeth Schaper